
Shore
curated by Otto Bonnen
Otto Bonnen arbeitet als Kurator an der Kunsthalle Zürich. Zu seinen letzten Ausstellungen gehören Vijay Masharani (2025), Ilija Bašičević (2024–2025), Files (2024), New Project Spaces (2024), Maggie Lee (2024), Elene Chantladze (2023–2024).

September
September
Die Gruppenausstellung bringt Positionen zusammen, die auf eigenständige Weise dichte Bildsysteme und idiosynkratische Kosmologien entwickeln. Der Fokus liegt dabei nicht auf dem vollendeten Werk, sondern auf dem Arbeitsprozess selbst – auf dem Akt des Herstellens und damit auf einem Spiel mit autonomen ästhetischen Strukturen, symbolischen Formen und spontanen Entscheidungen als Reaktionen auf happenstance (Gegebenheiten, die sich aus den Umständen heraus ergeben).
Einige der Arbeiten bestehen aus akribischen Zeichnungen, Collagen oder Notationssystemen, die sich zu komplexen Bildfeldern verdichten. Oft changieren sie zwischen Abstraktion und Figuration oder deuten Räumlichkeit an, ohne diese vollständig einzulösen. Sie sind durchzogen von Spuren einer anhaltenden und konzentrierten Auseinandersetzung mit den entstehenden Kompositionen oder dem jeweiligen Material. Sie fungieren als subjektive Topografien – konsistente und zugleich persönliche Systeme, die Komplexität zulassen, ohne sich durch einen abschließenden Rahmen einengen zu lassen, und ihre Magie aus dieser Offenheit für das Ergebnis beziehen.
Andere Positionen entwickeln sich in seriellen Bildprogrammen, in denen stilisierte Figuren als stumme Protagonist:innen wiederkehren. Diese Figuren scheinen den ästhetischen Kräften der abstrakten Systeme, in denen sie existieren, unterworfen, absorbiert von Bildwelten, die ihrer eigenen inneren Logik folgen – einer Logik, die sich vor allem auf formaler Ebene entfaltet.
Was all diese Praktiken vereint, ist ein tiefes Vertrauen in die unbändigen Dynamiken des eigenen Arbeitsprozesses. Sie verkörpern ein bewusstes Gleichgewicht zwischen Intuition und Intention, zwischen dem Zulassen des Unkontrollierbaren und präzisen Entscheidungen. Auf diese Weise bieten sie einen leisen, aber beständigen Gegenentwurf zur Logik der Effizienz, die unsere Zeit prägt. Der Fokus liegt auf kleinen Momenten: Fragmenten von Intimität, die sich gegen die Rhetorik großer Gesten behaupten. Denn es liegt eine wunderbare Stärke in der stillen Kraft des Stückwerks.