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silvia steinek galerie
curated by Katalin Krasznahorkai

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Eschenbachgasse 4
1010 Wien

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Kurator*innen
Katalin Krasznahorkai
Katalin Krasznahorkai
CV

Katalin Krasznahorkai (Ph.D.) ist eine in Berlin lebende Kunsthistorikerin, Kuratorin und Autorin. Sie arbeitet derzeit als Kuratorische Leiterin bei der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte und als Leitende Kuratorin für das Projekt des Europarats zur künstlerischen Freiheit „Free to Create - Create to be Free“. Von 1996 bis 2003 arbeitete Krasznahorkai als Kuratorin am Ludwig Museum Budapest. Im Jahr 2003 zog sie nach Berlin und war von 2010 bis 2015 Projektleiterin am Collegium Hungaricum Berlin, während sie an der Universität Hamburg über Land Art und Walter De Maria promovierte. Von 2015 bis 2020 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im ERC-Projekt „Performance Art in Eastern Europe. History and Theory“ an der Universität Zürich mit dem Projekt “Artists&Agents. Performancekunst und die Geheimdienste.“ 2020 kuratierte sie mit Inke Arns und Sylvia Sasse die Ausstellung „Artists&Agents. Performance Art and the Secret Services“ im HMKV Dortmund, die von der deutschen AICA als ‚Ausstellung des Jahres 2020‘ ausgezeichnet wurde. Zusammen mit Sylvia Sasse ist Krasznahorkai Herausgeberin der gleichnamigen Publikation, die bei Spector Books auf Deutsch (2021) und auf Englisch (2022) erschien. Im Jahr 2022 ko-kuratierte sie zusammen mit Christin Müller, Franziska Schmidt, Sonia Voss und Susanne Altmann die Ausstellung „Hosen haben Röcke an. Die Künstlerinnengruppe Erfurt 1984-1994“ in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (nGbK), Berlin (27. November 2021 - 23. Januar 2022), und war die Mitherausgeberin der gleichnamigen Publikation bei Hatje Cantz (2023). Von 2020 bis 2022 arbeitete sie als Gerda Henkel Forschungsstipendiatin an einem Projekt über Angela Davis und Black Power in Osteuropa. Krasznahorkai ist Mitglied von AICA-Hungary. Sie wurde mit dem DAAD-Forschungsstipendium, dem Herder-Preis der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. und dem Gerda-Henkel-Forschungsstipendium ausgezeichnet. Ihre Monographie „Operative Art History or Who is Afraid of Artists?“ wird 2024 bei Spector Books erscheinen.

Künstler*innen
Gabriele Stötzer
Gabriele Stötzer
CV

1953 in Emleben bei Gotha geboren, lebt und arbeitet in Erfurt sowie in den Niederlanden. Stötzer, 1976 von der Pädagogischen Hochschule Erfurt verwiesen, kam 1977 wegen einer Unterschriftenaktion gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann für ein Jahr in das Frauengefängnis Hoheneck. Nach ihrer Entlassung arbeitete sie auf Bewährung in einer Fabrik, kündigte und leitete in Erfurt bis zu deren Verbot 1981 die private „Galerie im Flur“. Danach begann Stötzer als unabhängige Künstlerin zu agieren, war in der ostdeutschen Kunst- und Untergrundszene aktiv, arbeitete an eigenen Ausstellungsprojekten, Veröffentlichungen, initiierte und begründete die Künstlerinnengruppe Erfurt, deren Schaffen Frauen mehr als zehn Jahre lang Widerständigkeit und „Projektionsfläche wie auch Ort politischer und sozialer Einschreibungen“ bot. 1989 gehörte Stötzer zu den Initiatorinnen der Bürgerinneninitiative „Frauen für Veränderung“ und war an der Besetzung der Erfurter Zentrale der Staatssicherheit beteiligt. Ab 1990 folgten Auslandsaufenthalte verbunden mit öffentlichen Ausstellungen, Publikationen, Symposien sowie Arbeitsstipendien, Vortrags- und Lesereisen. Seit 2010 ist sie Dozentin für Performance an der Universität Erfurt. 2013 wurde Stötzer für ihr politisches und künstlerisches Engagement in der DDR mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2022 erschien ihr Buch „Der lange Arm der Stasi. Die Kunstszene der 1960er, 1970er und 1980er in Erfurt – ein Bericht“.
 



Katalin Krasznahorkai

Didn't I amuse you brilliantly?

Habe ich euch nicht blendend amüsiert?

Punks in Buchenwald; Winfried, ein von der Stasi „ausgebildeter“ Transvestit in einer dreitägigen Fotosession; Stötzer mit Schwert und Pelz als Jeanne d`Arc des Undergrounds; eine Fotoserie von sich wiederholenden Blicken aus ihrem Gefängnisfenster auf ein paar Quadratmeter „Freilauf“; ein Netz als Frauenkörper, Filme von Performances, in denen sie ihre Haft, in einer der berüchtigtesten Frauengefängnisse der DDR, zu Kunst macht; ein Super-8-Film über die körperlichen und psychischen Grenzen von Tod, Opferbereitschaft oder die Selbstbefragung in ihrem Film „Habe ich euch nicht blendend amüsiert?“ All das gehört zum fast über vierzig Jahre umspannendem Werk von Gabriele Stötzer und wird in diesem Herbst zum ersten Mal in Österreich im Rahmen von “Curated by…” in der Galerie Silvia Steinek zu sehen sein.

Gabriele Stötzer - Fotografin, Filmemacherin, Schriftstellerin und Performerin - ist eine Ausnahmeerscheiung in der Kunst, die sich nicht stoppen lässt. Weder von politischer Repression (Zwangsexmatrikulation, nachdem sie sich mit einer systemkritischen Kommilitonin solidarisierte), noch von staatlicher Gewalt (sie war eine der ersten Unterzeichnerinnen einer Petition gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann, was ihr ein Jahr Gefängnis im Frauengefängnis Hoheneck einbrachte), von subversiven Zersetzungstaktiken der Staatssicherheit, die über Jahrzehnte andauerten (es gab mehrere „operative Vorgänge“ die sie daran hindern sollte künstlerisch tätig zu sein, ihre eigene Galerie zu gründen, ein Kollektiv von Freund:innen und Kolleg:innen um sich zu haben oder in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden) oder auch von der relativen Stille der Kunstwelt, mit der sie nach 1990 konfrontiert war. Stötzer sah und sieht immer noch ihr politisch-gesellschaftliches Engagement als Teil ihrer weitgefassten künstlerischen Praxis: sie gehörte zu den Initiatorinnen der Bürgerinneninitiative 'Frauen für Veränderung' und besetzte 1989 zusammen mit anderen Frauen aus der von ihr gegründeten Erfurter Künstlerinnengruppe die Stasi-Zentrale in Erfurt, wofür sie 2013 das Bundesverdienstkreuz bekam.

Was Stötzer gegen all diese Versuche, sie zu verhindern, auszulöschen, und zum schweigen zu bringen, machte war: Kunst. Als Thema nahm sie sich den Status des weiblichen Körpers in Diktaturen, aber auch in der „freien Welt“ vor. Und sie hatte jetzt ein weiteres, sehr spezielles künstlerisches Material zur Verfügung: ihre Geheimdienstakten, die das Ministerium für für Staatssicherheit der ehemaligen DDR über sie angelegt hatte und die im Stasi-Unterlagen-Archiv nun zugänglich waren. Einem Archiv, das selbst zum Akteur in der Reproduktion und Produktion von Fiktionen und fiktionalisierten Narrativen wurde. Einem Archiv, das sich auf unheimliche Weise auf „unerzählte Geschichten“ spezialisiert hatte. Einem Archiv, dessen “Überleben” Stötzer durch die Besetzung der Stasi-Zentrale in Erfurt mit ermöglicht hatte, weil dadruch zahlreiche Akten vor der Vernichtung bewahrt wurden. Das Stasi-Unterlagen-Archiv wurde zu einem Akteur der nichterzählten Narrativen in der Aufarbeitung von Diktaturen, Stötzer nutzte es in ihrem eigenen künstlerischem Werk, legte die Akten über sich und somit auch deren Absurdität offen und entmachtete sie dadurch.

Die internationale Aufmerksamkeit, die Stötzers Werk in den letzten Jahren erfährt, zeugt von der Durchsetzung eines künstlerischen Oeuvres, das auch in der Gegenwart starke Aussagen zu Selbstermächtigung mit Kunst in Zeiten von Diktaturen macht. Sie beleuchtet Stasi-Methoden, die erneut gegen Künstler:innen eingesetzt werden, und setzt sich mit der Rolle von Künstlerinnen heute auseinander. Auch die in dieser Ausstellung gezeigte Auswahl zeigt mit neuen Installationen und Zeichnungen die ungebrochene Relevanz dieses Oeuvres.

Gabriele Stötzers Werk zeichnet sich auch heute durch die Erkundung der individuellen und kollektiven Erfahrungen im Kontext von Repression, Überwachung und weiblicher Identität aus. Ihre künstlerischen Arbeiten, die oft auf persönlichen Erlebnissen und dem Widerstand gegen staatliche Kontrolle basieren, bringen die Stimmen und Geschichten an die Oberfläche, die lange unterdrückt oder ignoriert wurden. In ihrer Kunst finden sich Elemente, die sowohl visuell als auch narrativ das Schweigen und die Unsichtbarkeit durchbrechen und so die marginalisierten und unterdrückten Geschichten sichtbar machen. Diese nicht erzählten Geschichten ins Zentrum der künstlerischen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit zu rücken, ist heute wichtiger denn je. Das Arbeiten fordern so zur Auseinandersetzung mit hegemonialien Narrativen und institutionalisierten Machtsystemen auf, die bestimmte Perspektiven bevorzugen und andere zum Schweigen bringen. Durch ihre künstlerische Praxis verleiht Stötzer den "unerzählten Geschichten" immer neue Formen und zeigt, wie Kunst als Medium dienen kann, um das Schweigen zu brechen, Machtstrukturen offenzulegen und kritisch zu hinterfragen.

Ihr Werk macht auch deutlich, wie wichtig es ist, künstlerische Ausdrucksformen zu finden, die die unsichtbaren und verdrängten Geschichten unserer Vergangenheit und Gegenwart sichtbar machen und somit einen Beitrag zur Reflexion und Neugestaltung unserer kollektiven Erinnerungen und Identitäten leisten. In einer Zeit, in der repressive, autoritäre Stimmen weltweit an Stärke gewinnen und die Unterdrückung künstlerischer Freiheit auch in Europa zunimmt, gewinnt das Werk von Gabriele Stötzer eine noch größere Relevanz. Stötzers Arbeiten erinnern uns daran, dass künstlerische Freiheit nicht nur ein individuelles Recht, sondern ein kollektives Gut ist, und daran, dass ihre künstlerische Freiheit unser aller Freiheit ist.

Katalin Krasznahorkai

 

News : Gabriele Stötzer erhält Pauli-Preis für Gegenwartskunst 2024 !
Die Thüringer Künstlerin Gabriele Stötzer erhält in diesem Jahr den Bremer Pauli-Preis für Gegenwartskunst.
Sie schaffe beeindruckende Kunst von großer Widerständigkeit, begründete die Jury ihre Entscheidung. Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre verliehen und zählt zu den bedeutendsten Preisen für zeitgenössische Kunst in Deutschland. Der Preis soll der 71-Jährigen am 17. September in der Kunsthalle Bremen übergeben werden. Der Pauli-Preis zeichnet im deutschen Sprachraum lebende Künstlerinnen und Künstler für einen hervorragenden Beitrag zur jüngsten Kunst der Gegenwart aus.

 

Laufende Ausstellung von Gabriele Stötzer in Deutschland
Auslöschung eines Blicks. Ich trage meine Wunden offen.
Kunsthaus Erfurt
30.08. - 30.10.2024

Das Erfurter Kunsthaus würdigt mit einer Werkschau die Künstlerin Gabriele Stötzer.
Die Einzelausstellung zeigt Arbeiten aus über 40 Jahren.
Sie thematisieren die Verletzbarkeit als Frau in der DDR.
https://www.kunsthaus-erfurt.de/

In Zusammenarbeit mit Friedrich Loock, Berlin

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Media

Bilder

Gabriele Stötzer, Netz Netz, Gefärbte Schafwolle (1984), Keramik (2022), Netz (2024), Gefärbte Schafswolle, gebrannter Ton, Netz, 183 x 78 cm
© Gabriele Stötzer
Gabriele Stötzer, Roter Tod, 2024, Collage aus Foto, ausgeschnittenen Papiertauben mit Plakatfarbe im Rahmen, 42 x 60 cm und 2 Einzeltauben rot (Plakatfarbe) ausgeschnitten
© Gabriele Stötzer
Gabriele Stötzer, Selbst mit Schwert (9 Motive, Fotos von Ralf Gerlach), 1985, Sch/w-Fotografie, 31,5 x 44 cm
© Gabriele Stötzer
Gabriele Stötzer, Tauben gelb, 2024, Collage aus Foto, ausgeschnittenen Papiertauben mit Plakatfarbe im Rahmen, 42 x 60 cm
© Gabriele Stötzer
Gabriele Stötzer, Trans Warten&Sein (3 Motive), 1984, Sch/w-Fotografie, 31,5 x 14,5 cm
© Gabriele Stötzer

Filmstill aus „Trisal“ von Gabriele Stötzer, 1986, Super 8, digitalisiert, 20 Min © Gabriele Stötzer

© Gabriele Stötzer

Netz Netz – Mund Brüste Hände Füße, 2024, Vierteiliges Objekt aus farbiger originaler Schafwolle von 1986, auf originales Netz von 1984 geknüpft, mit Keramikobjekten von 2021 assembliert, 83 × 78 × 0,5 cm, exhibition view @ silvia steinek galerie, 2024

Tachdjian