In ihren Filmen, Videoinstallationen, Bildern, Skulpturen und Performances beschäftigt sich die niederländische Künstlerin S.M. van der Linden (geb.1952) mit weiblichen Rollenbildern und den Macht- und Repräsentationsstrukturen einer kapitalistischen Gesellschaft, in der es um ständige Selbstoptimierung geht. Sie interessiert dabei besonders, wie Körper, sexuelle Attraktion und romantische Beziehungen als Statussymbole fetischisiert und zur Ware transformiert werden. In van der Lindens Werk ist die „Ökonomie der narzisstischen Belohnung“ ein zentrales Motiv – ein System, in dem Individuen durch externe Bestätigung, Bewunderung und Status zu Leistung und Konsum und Wettbewerb motiviert werden, oft auf Kosten realer sozialer oder emotionaler Bindungen und wirklich empfundener Empathie.
Van der Lindens narzisstisch besetzter, auf Perfektion bedachter Kosmos ist dabei eine Hommage an die unterschiedlichsten Formen der Unterhaltungsindustrie: an Disneys frühe Cartoons aus den späten 1920ern wie die Silly Symphonies, and seine bahnbrechenden Spielfilme wie Snow White and the Seven Dwarfs (1937) oder Fantasia (1940), an Vogue und Voguing, Models und Runways, Werbespots und Busby Berkeley Musicals aus den 1930er und 1940er Jahren, Jingles und Muzak. In ihrer Depressiva-Triologie (Depressiva, 2010, Subterranean Breathing, 2010 und Skype, 2011) thematisiert van der Linden die Nachwirkungen von narzisstischer Überdosis: Cold Turkey, Depression, Panik, Lähmung – die sie wie Screwball-Komödien oder als Slapstick-Kammerspiele inszeniert.
The Depressiva Revolutions vereint Teile der Depressiva-Trilogie mit „Low-Tech“- Animationen von aus den späten 1990er-Jahren, zu denen die Berliner Band Stereo Total den Soundtrack komponierte. Weitere Teile der Ausstellung sind Siebdrucke und Zeichnungen, die von den 1990er- bis in die 2000er-Jahre entstanden, in denen sich van der Linden mit Pornografie, Fetisch und Sex Work beschäftigt. Dabei kombiniert die ehemalige Schülerin der Amsterdamer Rietveld Academie Einflüsse von Konstruktivismus, Russischer Avantgarde und Art Nouveau mit der Ästhetik von Acid-Art und psychedelischen Postern. Diese Verbindung von streng formalen, modernen und popkulturellen Einflüssen findet sich auch in abstrakten Zeichnungen und Drucken, die an Kalligrafien und Notationen erinnern und ebenso von Disneys Fantasia, Nachkriegsabstraktion, oder Sixties- Grafik inspiriert sein könnten.
Der Titel The Depressiva Revolutions spielt auf die vielen Fortsetzungen der Matrix-Filme an. The Matrix Revolutions ist der 2003 erschienene dritte, von der Kritik verrissene Teil der Matrix-Filme, die mit Matrix aus dem Jahr 1999 begann und mit Matrix Reloaded im Mai 2003 fortgeführt wurde. 2021 kam dann Matrix Resurrections in die Kinos. In der gesamten Serie kämpft eine Gruppe von Rebellen gegen Maschinen und KI, die die gesamte Menschheit als Sklaven und Nahrungsmittel züchtet und durch eine Computersimulation, der Matrix, die Menschen unter Kontrolle hält. Aus dem Kontext von Matrix, stammen auch diverse Verschwörungstheorien der extremen amerikanischen Rechten, die das globale, neoliberale System mit der Matrix vergleicht, aus der wir „erwachen müssen“. The Depressiva Revolutions ist die feministisch-queere Meme-Version dieses Q-Anon Gedankens. Der Titel knüpft an den linken Slogan „Depressed? It Might Be Political!“ an, der ganz im Sinne von van der Lindens Kunst, gegen die Pathologisierung und stattdessen für die Politisierung von Depression spricht.